Corporate Volunteering eines deutschen Großunternehmens - Eine empirische Studie zum freiwilligen gesellschaftlichen Engagement der E.ON Westfalen Weser AG
Projektbeschreibung
Zusammenfassung
Die Evaluationsstudie über das gesellschaftliche Engagement der Mitarbeiter/innen der E.ON Westfalen Weser AG bildet eine der ersten wissenschaftlichen Untersuchungen in Deutschland, in denen das freiwillige gesellschaftliche Engagement eines Großunternehmens („Corporate Citizenship") im Hinblick auf die Personalarbeit empirisch untersucht wird. Das Ziel der Evaluationsstudie besteht darin, ein wissenschaftlich fundiertes Programm des „Corporate Volunteering“ für die E.ON Westfalen Weser AG zu entwickeln. Dieses Programm soll das freiwillige gesellschaftliche bzw. bürgerschaftliche Engagement der Beschäftigten von E.ON Westfalen Weser AG zugunsten des Gemeinwohls fördern.
Problemstellung
Lange Zeit wurde dieses Engagement eher stiefmütterlich behandelt und unter dem Begriff des „Ehrenamts“ als überholt abgetan. Mittlerweile haben allerdings verschiedene Studien im In- und Ausland zeigen können, dass bürgerschaftliches Engagement einen nachhaltigen Beitrag leistet, um das „soziale Kapital“ unserer Gesellschaft zu vermehren und das „kulturelle Kapital“ der engagierten Menschen zu erhöhen.
Was bedeutet das? Einerseits werden durch bürgerschaftliches Engagement solidarische Netzwerke in einer Region aufgebaut, indem sich Menschen gemeinsam für eine bestimmte Sache zugunsten des Gemeinwesens einsetzen: Sie kümmern sich beispielsweise in Projekten um sozial benachteiligte Jugendliche, sie begleiten sterbende Menschen durch ihre Arbeit in Hospiz-Gruppen, sie trainieren Kinder und Jugendliche in Sportvereinen, sie helfen Anderen in Glaubens- und Sinnfragen durch ihr konfessionell gebundenes E
ngagement in Kirchen, sie veranstalten gesellige Abende in Altersheimen, Jugendclubs oder Schützenvereinen, sie organisieren Musik- und Kunstveranstaltungen für die Allgemeinheit oder sichern unser Leben durch ihre Mitarbeit in der Freiwilligen Feuerwehr.
Von diesem Engagement profitiert die gesamte Region. Denn dort, wo gegenseitige Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft vorhanden ist, entwickelt sich auch soziales Vertrauen zwischen den Menschen. Soziales Vertrauen ist wiederum eine entscheidende Grundlage dafür, dass weitaus weniger Kontrolle durch die Mitbürger, den Staat oder Unternehmen ausgeübt werden muss. Und das hat nicht zuletzt erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen; denn soziale Netzwerke schaffen soziale Sicherheit und soziale Ordnung, sie erzeugen gegenseitige Verbindlichkeiten und soziale Kontrolle, die durch den ordnungspolitischen Rahmen des Staates alleine nicht gewährleistet werden kann. Deshalb zeichnen sich wirtschaftlich erfolgreichere Regionen auch dadurch aus, dass sich ein hoher Anteil der Bewohner im Gemeinwesen bürgerschaftlich engagiert.
Damit sind die positiven Effekte von bürgerschaftlichem Engagement auf die Bildung von so genanntem „sozialem Kapital“ in einer Region umrissen. Zugleich sind bürgerschaftlich engagierte Menschen aber stets auch handelnde Personen. Sie sind immer wieder mit Situationen konfrontiert, die sie in ihrem familiären und beruflichen Alltag nicht oder nur begrenzt kennen lernen würden: Sie planen und organisieren z.B. Vereinsfeste, sie sprechen frei vor Gruppen oder handeln ihre Sichtweisen mit anderen Interessengruppen aus (etwa beim Bau eines Kindergartens oder Spielplatzes), sie führen die Geschäfte eines Sportvereins oder leiten eine Sportgruppe, sie betreuen Menschen in Phasen schwerer Krankheit oder retten gefährdete Personen aus brennenden Häusern.
All diese Aufgaben erfordern Wissen und Kompetenzen. Und letztere muss man sich vielfach nebenbei – im Sinne eines „Learning by doing“ – aneignen, um die Aufgaben zu bewältigen. Im Rahmen dieses lebenslagen Lernprozesses können bürgerschaftlich engagierte Menschen „Soft skills“ erwerben, die oft nur eingeschränkt im engeren betrieblichen Arbeitsfeld (weiter-)entwickelt werden. Mit anderen Worten: Praktische Lern- und Erfahrungsfelder liegen vielfach vor den Betriebsorten, wo Arbeitnehmer ihre Kompetenzen (zumeist ganz unbewusst) erweitern. Und dieses so genannte „kulturelle Kapital“ wird – wie unsere jüngsten Forschungsarbeiten anschaulich zeigen – vielfach erneut in die berufliche Tätigkeit eingebracht.
Bürgerschaftliches Engagement ist also eine Ressource, die sowohl dem regionalen Gemeinwesen wie auch dem Engagierten selbst zugute kommen kann. Der Umfang des „sozialen“ und „kulturellen Kapitals“, das auf diese Weise entsteht, bildet wiederum eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln und somit den Wohlstand einer Region. Dies ist ein Grund dafür, dass in anderen Ländern wie den USA, Großbritannien oder Dänemark die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements von Beschäftigten („Corporate Volunteering“) als Bestandteil der Unternehmensentwicklung im Rahmen von „Corporate Citizenship-Programmen“ betrachtet wird.
Vor diesem Hintergrund ist die E.ON Westfalen Weser AG – als eines der ersten Wirtschaftsunternehmen in Deutschland – bestrebt, im Rahmen des unternehmensweiten Selbstverständnisses der Übernahme „freiwilliger gesellschaftlicher Verantwortung“ Strategien zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements der Beschäftigten zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurde das Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement an der Universität Paderborn beauftragt, diese Schritte systematisch zu begleiten und wissenschaftlich zu evaluieren.
Methode
Die erste Phase der Untersuchung basiert auf einer schriftlichen Befragung sämtlicher Mitarbeiter/innen über deren bürgerschaftliches Engagement. In der zweiten Phase geht es darum, von den Führungskräften der E.ON Westfalen Weser AG persönliche Einschätzungen zu erhalten, welche Chancen und Probleme mit der Förderung des freiwilligen gesellschaftlichen bzw. bürgerschaftlichen Engagements der Beschäftigten verbunden sind. Diese Informationen dienen dazu, in der dritten Phase Szenarien zu entwickeln, welche Potenziale, Möglichkeiten und Grenzen mit der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden sind. Diese Szenarien basieren auf der Zusammenschau der Ergebnisse der „Mitarbeiter-Befragung“ und der „Führungskräfte-Interviews“.
Weitere Projektdaten
Projektteam: Prof. Sr. Sebastian Braun (Projektleiter), Dipl.-Sozialwiss. Saskia Ritter, Dipl.-Sozialwiss. Christina Weiß, Kathrin Sliep, Carina Schmidt, Meike Zöpnek
Laufzeit: 11/2005 bis 10/2006
Mittelgeber: Westfalen Weser Energie (ehemals E.ON Westfalen Weser AG)