Humboldt-Universität zu Berlin - ZASB

Selbstvertrauen

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„Ich war enorm nervös, hatte aber trotzdem ein riesiges Vertrauen.“ (Simon Ammann, Doppelolympiasieger Skispringen)

 

Ohne Selbstvertrauen ist das Erreichen von Spitzenleistungen im Sport undenkbar. Nur wer an sich selbst und seine Fähigkeiten glaubt, kann Bestleistungen abrufen und in kritischen Situationen bestehen. Wie Athleten mit Drucksituationen umgehen und schwierige Situationen bewältigen, hängt maßgeblich davon ab, wie viel Selbstvertrauen sie mitbringen. Bei mangelndem Selbstvertrauen werden kritische Situationen als bedrohlich empfunden, was einen Misserfolg wahrscheinlicher werden lässt. Selbstvertrauen scheint ein wichtiger Erfolgsfaktor zu sein. Jeder wünscht sich Selbstvertrauen. Die Frage stellt sich aber: Was ist das überhaupt genau? Wie entsteht es? Kann man Selbstvertrauen „trainieren“? Im Rahmen dieses Beitrags wird diesen Fragen nachgegangen und es werden praxisrelevante Tipps für Athleten und Trainer gegeben.

 

Was ist Selbstvertrauen?

Sicherlich hat jeder schon mal Sätze gehört wie: "Durch diesen Sieg habe ich sehr viel Selbstvertrauen gewonnen", "Mir fehlte von Anfang an das Selbstvertrauen" oder "Ein paar dumme Fehler und sofort war mein Selbstvertrauen verschwunden". In der Sportpsychologie wird Selbstvertrauen definiert als der „Glaube oder das Vertrauen, dass man aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten gewünschte Ergebnisse (z.B. Sieg bei einem Wettkampf) erzielen kann“. Vereinfacht kann Selbstvertrauen als die Erwartung von Erfolg betrachtet werden. Selbstbewusste Athleten glauben, dass sie in der Lage sind, die Kompetenzen und Fähigkeiten zu erwerben, um ihr Potential zu erreichen. Athleten mit mangelndem Selbstvertrauen dagegen zweifeln häufig daran, dass sie gut genug sind oder dass sie das nötige Zeug haben, um erfolgreich zu sein.

 

Beim Selbstvertrauen handelt es sich um eine Eigenschaft, die sowohl als Persönlichkeitszug als auch als situativer, zeitlich variabler Zustand verstanden werden kann. Genauso wie körperliche Fitness kann Selbstvertrauen durch spezifische Formen des psychologischen Trainings aufgebaut bzw. reguliert werden.

 

Optimales Selbstvertrauen

Beziehung zwischen Selbstvertrauen und Leistung kann durch eine umkehrte U-Funktion dargestellt werden, wobei der höchste Punkt etwas rechtsschief ist (siehe Abbildung 1).

 

Selbstvertrauen und Leistung

Abbildung 1: Die Beziehung zwischen Selbstvertrauen und Leistung

 

Die Leistung verbessert sich mit zunehmendem Selbstvertrauen bis zu einem gewissen Punkt. Weitere Steigerungen des Selbstvertrauens nach diesem Punkt führen zu einer drastischen Verschlechterung der Leistung. Optimales Selbstvertrauen bedeutet, dass man an seine Fähigkeiten glaubt, den Wettkampf erfolgreich zu bestreiten, aber dennoch einen gewissen Respekt vor den Gegnern behält. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten versetzt uns in die Lage, mit eigenen Fehlern und Rückschlägen effektiv umzugehen und richtet unseren Blick auf den Erfolg. Es ist dabei zu betonen, dass jede Person ihren eigenen optimalen Level an Selbstvertrauen hat, bei dem sie ihre Bestleistungen abrufen kann. In der Abbildung 1 dargestellte Kurve ist eigentlich nur eine Durchschnittskurve. In der Realität sieht die Kurve bei jeder Person anders aus.

 

Mangel an Selbstvertrauen

Viele Sportler besitzen herausragende körperliche Fähigkeiten und eine gute Technik, um erfolgreich zu sein, jedoch sind sie nicht in der Lage, in entscheidenden Wettkampfsituationen die Leistung abzurufen. Athleten mit mangelndem Selbstvertrauen beschäftigen sich eher mit ihren Schwächen, anstatt sich auf ihre Stärken zu konzentrieren; ihre Konzentration wird von der eigentlichen Aufgabe abgelenkt. Sie denken häufig über die Konsequenzen des Wettkampfes nach: Was werden meine Eltern dazu sagen? Wie wird mein Trainer reagieren? Der Wettkampf wird dadurch gestört, der Athlet zögert, agiert zunehmend gehemmt und die Fehlerquote steigt. Dieses Phänomen wird in der Fachsprache Choking under pressure (engl. Versagen unter Druck) genannt.

 

Überhöhtes Selbstvertrauen

Das andere Extrem, das ebenfalls der Leistung schadet, ist ein überhöhtes Selbstvertrauen. Davon  kann man sprechen, wenn der Athlet seine Fähigkeiten deutlich überschätzt. Der Athlet glaubt, dass er sich nicht vorbereiten oder anstrengen muss, um den Wettkampf zu gewinnen. Um ein optimales Selbstvertrauen aufzubauen, braucht man immer einen gesunden Respekt von dem Gegner und die innere Einstellung, alles zu geben.

                                                                                                                           

Persönliche Erklärungsmuster

Neben Erwartungen auf zukünftige Erfolge bzw. Misserfolge spielen auch persönliche Erklärungsmuster der bereits erfolgten Ereignisse (Erfolge oder Misserfolge) eine Rolle beim Selbstvertrauen. Führt ein Athlet seine Siege auf seine Fähigkeiten zurück oder darauf, dass er einfach Glück gehabt hat? Erklärt er sich Niederlagen damit, dass er in der konkreten Situation Pech gehabt hat, oder sieht er die Ursache in seinen mangelnden Fähigkeiten? Man bezeichnet in der Psychologie solche Erklärungsmuster als Kausalattributionen (Ursachenzuschreibungen). Entscheidend für das Selbstbild und das Selbstvertrauen sind nicht die objektiven Ursachen für einen Sieg oder Niederlage, sondern die eigenen Erklärungen für die Ursachen der Erfolge bzw. Misserfolge.

 

Abb1 Selbstvertrauen

Abbildung 2: Erklärungsmuster für Erfolge bzw. Misserfolge

 

Es werden vier Erklärungsmuster unterschieden, die sich aus den beiden Faktoren Kontrolle und Stabilität ergeben (siehe Abbildung 2). Auf Seiten der Kontrolle können Erfolge und Misserfolge entweder auf äußere Umstände (z.B. schlechter Platz) oder auf das eigene Handeln (z.B. schlechte Form) zurückgeführt werden (externale vs. internale Kontrolle). Im Bereich der Stabilität können die Ursachen entweder bei zeitlich veränderlichen Einflüssen (z.B. Glück oder Pech) oder bei stabilen Faktoren (z.B. mangelndes Talent) gesucht werden. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Selbstvertrauen dadurch begünstigt wird, wenn Erfolge auf eigenes Können (stabil-internale Ursachenzuschreibung) und Misserfolge auf die widrigen äußeren Zustände (variabel-externale Ursachenzuschreibung) zurückgeführt werden. Es ist dabei allerdings zu beachten, dass eine strikte Anwendung dieser Erklärungsmuster zu überhöhtem Selbstvertrauen und Realitätsverlust führen kann. Um richtige Schlüsse aus Niederlagen ziehen zu können, ist sicherlich das internale Erklärungsmuster (z.B. ich habe zu aggressiv gehandelt) nützlich. Dadurch kann der Athlet wichtige Anhaltspunkte bekommen, wie er seine Wettkampfleistung verbessern und an sich selbst arbeiten kann. Wer aber immer Ausreden für seine Niederlagen in äußeren Umständen sucht, verwirft leichtfertig wichtige Informationen, die die Leistung verbessern könnten.

 

Besonders ungünstig für das Selbstvertrauen ist, wenn man seine Misserfolge den stabilen internalen und die Erfolge den variablen externalen Faktoren zuschreibt. Athleten mit solchem Erklärungsmuster sind in der Regel von Selbstzweifeln geprägt, Erfolge können kaum zum Gewinn des Selbstvertrauens genutzt werden. Solch ein Erklärungsmuster führt in der Regel zur Resignation und untergräbt jegliche Trainingsmotivation. Aus der Sicht einer solchen Person ist eine Kette von Niederlagen zu erwarten, gegen die nichts zu machen ist. Anstrengung im Training bringt nichts, da Niederlagen unausweichlich sind. In solchen Fällen ist eine grundlegende Einstellungsänderung notwendig.

 

Eine weitere mögliche Konsequenz persönlicher Erklärungsmuster ist das Phänomen Self-Handicaping (engl. Selbstbehinderung). Bei der Selbstbehinderung handelt es sich um ein Verhalten, das eigene Leistung untergräbt, um später eine Ausrede für die Niederlage zu haben. Man hört häufig Ausreden wie: "Ich habe Bauchschmerzen", "Mein Fuß tut mir weh" oder "Ich habe schlecht geschlafen". Der Athlet humpelt von angeblichen Fußschmerzen geplagt  oder krümmt sich vor Bauschmerzen. Solche Verhaltensweisen kommen besonders dann vor, wenn gegen vermeintlich schwache, jüngere Gegner angetreten werden muss, die in der letzten Zeit erfolgreich waren und eine ernsthafte Chance haben zu gewinnen. Solche Wettkämpfe sind besonders schwierig, weil jeder vom Athleten einen Sieg erwartet. Man hat also kaum etwas zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Selbstbehinderndes Verhalten ist eine Folge des antizipierten Misserfolgs, um ein eventuelles Versagen dann auf diese Leistungs-„Behinderung“ zurückführen zu können (externale Zuschreibung). Das Versagen kann also der Selbstbehinderung zugeschrieben werden und die Selbstachtung bleibt geschützt. Ein Erfolg hingegen erhält umso größere Bedeutung für die Selbstachtung, da die gute Leistung trotz scheinbar widrigen äußeren Umständen zustande gekommen ist.

 

Selbstvertrauen gewinnen

Viele Leute glauben: "Entweder du hast Selbstvertrauen oder du hast es eben nicht!". Jedoch kann Selbstvertrauen durch systematische Arbeit, regelmäßiges Üben und sorgfältige Planung gestärkt und aufgebaut werden. Im Folgenden werden Ansatzpunkte gegeben, wie man Selbstvertrauen entwickeln kann.

 

  1. Selbstsicheres Auftreten

Ein guter Athlet muss auch ein guter Schauspieler sein. Um Selbstsicherheit zu bekommen, ist es ein erster Schritt, sich so zu verhalten, als ob man voll von Selbstvertrauen wäre. Besonders in Situationen, in denen wir aufgeregt sind, uns unsicher fühlen und an uns selbst zweifeln, ist diese Strategie erfolgreich. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht nur die eigenen Emotionen und Gedanken unser Verhalten bestimmen, sondern auch, dass das Verhalten einen Einfluss auf unsere Gefühle und Gedanken hat (Bem, 1972). Allein die Art und Weise, wie wir den Kopf und Schulter halten, wie wir auf dem Platz gehen, wie unser Gesichtsausdruck und unsere Körpersprache ist, bewirkt echte emotionale Reaktionen. Also verhalten wir uns, wie wir uns fühlen wollen!

 

  1. Auswahl der Wettkämpfe

Die wichtigste Quelle des Selbstvertrauens ist der Erfolg. Erfolge kann man am besten bei Wettkämpfen erzielen, bei welchen man gegen starke Gegner gewinnt. Eine sorgfältige Auswahl der Wettkämpfe sollte deshalb gewährleistet sein. Die Auswahl sollte zum mentalen Zustand des Athlets passen. Nach längeren Wettkampfpausen sind eher leichtere Wettkämpfe vorzuziehen, um ein Basislevel an Selbstvertrauen aufzubauen. Nach erfolgreich gemeisterten Wettkämpfen sollten dagegen stärker besetzte gewählt werden, um das Selbstvertrauen noch weiter auszubauen.

 

  1. Planung der Wettkämpfe

Da sich unsere Leistungsfähigkeit über das gesamte Jahr nicht auf dem gleichen Niveau bewegt, sollten die wichtigsten Wettkämpfe so terminiert werden, dass wir sie in den Phasen der erwarteten höchsten Leistungsfähigkeit antreten.

 

  1. Gestaltung des Trainings

Kleine Erfolge können auch durch psychologisch orientierte Übungseinheiten im Training erzielt werden. Durch eine Auswahl der passenden Übungen und Trainingsspiele kann das Selbstvertrauen gesteigert werden. Bei der Vorbereitung und Gestaltung des Trainings ist darauf zu achten, dass der Athlet Erfolgserlebnisse hat. Diese Strategie ist vor allem vor dem Beginn der Wettkampfphase empfehlenswert, wenn man erste Erfolge sammelt, um mit einem guten Gefühl in die Wettkampfsaison zu starten.

 

  1. Anwendung der Visualisierungstechniken

Ein mächtiges sportpsychologisches Instrument, das vielfältig eingesetzt werden kann, ist die Visualisierung. Für mehr Informationen zu diesem Thema, lesen Sie den Beitrag zum Vorstellungstraining.

 

  1. Sorgfältige Vorbereitung

Die physische und mentale Vorbereitung ist eine notwendige Voraussetzung für das Selbstvertrauen. Das Wissen um die gute Vorbereitung verleiht uns ein Gefühl der Stärke und Sicherheit. Jeder Wettkampf erfordert Energie, die sowohl physischer, mentaler und emotionaler Natur ist. Wenn diese Energie nicht mehr da ist, ist der Wettkampf praktisch verloren.

                                                                                                                             

  1. Pushen

Eine weitere Strategie, um die Ängste zu vertreiben und sich selbst in eine kämpferische Verfassung zu versetzen, ist das Pushen. Pushen bedeutet, dass durch positive Reaktionen ein kämpferischer Eindruck vermittelt wird.

 

  1. Nutzung von Zielsetzungsstrategien

Da eine konzentrierte und beharrliche Verfolgung von Zielen zu den wichtigsten Quellen der menschlichen Verhaltensregulation zählen, kann auch diese Strategie zur Steigerung des Selbstvertrauens führen. Für mehr Informationen zu diesem Thema, lesen Sie den Beitrag zu Zielen.

 

  1. Schaffung eines förderlichen sozialen Umfelds

Das soziale Umfeld spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau von Selbstvertrauen. Trainer, die ihrem Athlet Vertrauen entgegenbringen unterstützen eher die Entwicklung des Selbstvertrauens des Athlets als Trainer mit einem autokratischen, auf Kontrolle basierenden Trainerstil. Der Trainer kann dabei als ein positives Modell dienen, wenn es um die Trainings- und Wettkampfeinstellung geht. Darüber hinaus kann der Trainer als ein Katalysator zur Entstehung eines positiven sozialen Umfeldes dienen.